Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Revolution 2018/2019 und die maßgebliche Rolle, die sudanesische Jugendbewegungen darin spielten.
„Wir sind die Generation, die das Militärregime stürzen wird!“, hatten Demonstrant:innen auf Anti-Putsch-Protesten 2021 entschlossen verkündet. Sie zählten zur „Generation Tasgotbas!“ – jenen jungen Menschen, die sich seit 2018 in der Revolution engagierten und die den Kern der sudanesischen Widerstandsbewegung ausmachten.
Die unter 30-Jährigen stellen in Sudan etwa 60 % der Gesamtbevölkerung dar. Beim Ausbruch landesweiter Proteste im Dezember 2018 waren es daher vor allem junge Menschen, die auf die Straße gingen. Ihre Proteste wurden so stark, dass sie 2019 zum Sturz des Langzeitdiktators Omar al-Bashir führten und damit zur Revolution wurden.
Der Slogan „Tasgotbas! bedeutet so viel wie „Stürze einfach!“. Er war ein beliebter Sprechgesang auf den Protesten, der zunächst al-Bashir und später Militäroffiziere wie al-Burhan adressierte. Als Bezeichnung für die Jugend stand der Begriff sowohl für ihre Standhaftigkeit und Ausdauer im Widerstand als auch für ihren politischen und sozialen Eigensinn.
Sie hatten es sich zur Aufgabe gemacht, die wiederkehrenden Militärdiktaturen in ihrem Land ein für alle Mal zu beenden. Damit nahmen sie sich einem revolutionären Erbe an: Seit seiner Unabhängigkeit 1956 durchlief Sudan drei Revolutionen, in denen die Menschen sich gegen autokratische Regime auflehnten und diese durch Aufstände zum Sturz brachten. Bei allen Revolutionen spielten junge Menschen tragende Rollen.
Doch anders als in den beiden vorhergegangenen Revolutionen von 1964 und 1985, waren es bei der Revolution von 2018/19 nicht vornehmlich junge Menschen höherer Klassen, die den Widerstand auf der Straße vorantrugen. Arbeiter:innen, Schüler:innen, Student:innen – sie alle vereinten sich auf der Straße im Kampf gegen das Regime.
Viele dieser jungen Menschen hatten ihr gesamtes Leben unter der 30-jährigen Diktatur al-Bashirs verbracht. In dieser Zeit erlebte das Land mehrere Bürgerkriege sowie die Abspaltung des heutigen Südsudan 2011 und den starken wirtschaftlichen Einbruch, den sie zur Folge hatte. Die 2011 ausgebrochenen Arabischen Revolutionen und ihre Auswirkungen, besonders die des Nachbarlandes Ägypten, hatten sie weiterhin geprägt.
So forderten junge Menschen nicht nur demokratische Staatsstrukturen, sondern kämpften für soziale Veränderung. Sie wollten einen „Neuen Sudan“, der sich durch Gleichberechtigung aller Geschlechter und Ethnien, politischer und sozialer Teilhabe und Religionsfreiheit auszeichnen sollte.
Dafür nahmen sie sich einer Organisationsform an, die sich nicht nur im politischen Widerstand als wirkfähig erwies. Sie gründeten die sogenannten Widerstandskomitees, nachbarschaftliche Basisgruppen, die netzwerkartig miteinander verbunden sind. Die Komitees organisierten den Widerstand und koordinierten Proteste.
Unter der 2019 postrevolutionär etablierten Übergangsregierung konzentrierten sie sich vornehmlich auf Solidaritätsarbeit in ihren Nachbarschaften, was sie sozial stärkte. Sie lösten zum Beispiel logistische Probleme aufgrund von Ressourcenknappheit, wie etwa die nachbarschaftliche Verteilung von Zucker oder Gas. Während der COVID-19 Pandemie verteilten sie Masken an Anwohnende. Als 2021 das sudanesische Militär SAF gemeinsam mit der paramilitärischen RSF gegen die Übergangsregierung putschte, belebten die Komitees mit einem Schlag den Widerstand. Schon am selben Tag kam es zu Massenprotesten, die über Monate hinweg andauerten.
Außerdem beobachteten und dokumentierten die Komitees die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen der Putschisten, organisierten Diskussionsrunden und betrieben Medienarbeit. Gemeinsam erarbeiteten sie eine Charta, in der sie ihre Vorstellungen für den Aufbau eines demokratischen, zivilregierten Sudans offenlegten.
Denn obgleich die meisten ihrer Mitglieder jung waren, waren sie im Verlauf der Revolution politisch “gereift”. Sie hatten ihre Organisationsform gestärkt und gemeinsam politische Visionen entwickelt, die über das „Stürze einfach!“ von 2019 hinausgingen. Sie grenzten sich auch zunehmend von den politischen Eliten der Zivilgesellschaft ab, denen es in ihren Augen bloß um den eigenen Machtausbau gegangen war und kritisierten fortan deren Politik.
Mit dieser klaren Haltung verlor die Jugendbewegung den elitären Teil zivilen Rückhalts und die Stimmen junger Menschen blieben im politischen Prozess ungehört. In den 2022 unter westlicher Leitung geführten Verhandlungsprozessen zwischen Militärs und zivilen Vertreter:innen wurden sie weitgehend ausgeschlossen. Das Machtteilungsabkommen, das im Dezember 2022 zwischen Militär und Zivilvertreter:innen unterzeichnet wurde, hatte die Jugendbewegung größtenteils abgelehnt. Es war ihnen zu ähnlich mit dem Abkommen von 2019, das anstatt zum Demokratieaufbau 2021 zum Putsch geführt hatte.
Trotz Frust über die erneute Machtteilung setzten die Komitees ihre Arbeit fort. Dies taten sie sogar nach dem Kriegsausbruch im April 2023. Gemeinsam mit anderen zivilen Organisationen gründeten sie landesweite Notfallzentralen. Diese leisteten Erste Hilfe, schufen Fluchtrouten und Unterkünfte für Geflüchtete und koordinierten die Beschaffung und Verteilung von Nahrungsmitteln und Medikamenten. Bis heute sind die Notfallzentralen das wichtigste Organ humanitärer Hilfe vor Ort. Sie sichern das Überleben hunderttausender Verbliebener in den umkämpften Gebieten und stellen mithilfe der sudanesischen Diaspora lebenswichtige Ressourcen zur Verfügung.
Nach zwei Jahren Krieg spricht 2025 kaum noch jemand von Revolution. Die soziale Spaltung, die der Krieg mit sich brachte, betrifft auch die jungen Revolutionär:innen. Die Unterstützung für eine der beiden Kriegsparteien hat die Zivilgesellschaft geteilt und führte gerade bei jungen Männern zum Anschluss an bewaffnete Gruppen.
Wie ein “Neuer Sudan” nach dem Krieg aussehen kann, dafür gibt es heute wenig Visionen. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass der Krieg eines Tages enden wird, und die Revolutionär:innen ihre alte Heimat zurückerhalten.
Saskia Jaschek ist freie Journalistin und promoviert an der Universität Bayreuth mit einer Forschung zur sudanesischen Widerstandsbewegung.