Liebe Leser:innen,
auch wenn es ambivalent klingen mag: als friedenspolitisches Magazin führt kein Weg daran vorbei, dass wir uns mit Gewalt auseinandersetzen. Sie ist es, die unser Verständnis von Frieden prägt. Ob wir Gewalt als physisch, strukturell oder systemisch begreifen, lässt uns Rückschlüsse dazu ziehen, was wir unter Frieden verstehen – die Abwesenheit von Gewalt, Gleichberechtigung oder sozio-ökonomische Gerechtigkeit. Je nach Definition von Gewalt und Frieden entspinnen sich viele neue Fragen und Diskussionen, sie bleiben aber immer zwei Pole, die sich quasi gegenüber zu stehen scheinen. Frieden und Gewalt, das sind Gegensätze, die unvereinbar erscheinen. In den letzten Jahren wird diese Grundannahme jedoch immer häufiger in Frage gestellt. Es sind häufig gerade die Kämpfe für Gerechtigkeit, die die Frage aufwerfen: Gibt es gerechte Gewalt? Kann Gewalt zu Frieden führen? In dieser Ausgabe befassen wir uns mit diesen Fragen. Unsere Autor:innen schreiben in ihren Beiträgen zu einer Spannweite von Themen, die aufzeigt, wie breit diese Fragen diskutiert werden. Wieder einmal sind wir begeistert von der Resonanz auf unseren open call und danken unseren Autor:innen für ihre Perspektiven.
Einer der bedeutendsten Denker, der das Konzept von gerechter Gewalt sowie die antikoloniale Bewegung maßgeblich geprägt hat, ist Frantz Fanon. Mit seinem Werk befassen sich gleich zwei Beiträge von Jari Chollet und Lea Rahman im ersten Teil dieser Ausgabe. Hier schließt auch das Pamphlet von Eden Tadesse an, das sich mit radical climate resistance befasst. Fragen von gerechter Gewalt sind außerdem inhärent mit Gewalt durch den Staat verknüpft. In diesem zweiten Teil der Ausgabe schreiben Jonathan Auer und Paula Härtge zu den Auswirkungen und Widerständen gegen Polizeigewalt am Kottbusser Tor, Katharina Kühne fragt sich im Falle von El Salvador, unter welchen Umständen diese gerechtfertigt sein kann und in einer theoretischen Abhandlung von gerechter Gewalt als Grenzfall, beschäftigt sich Philip M. Pankow mit der Frage wie Gewalt legitimiert wird. Luna Afra Evans nimmt sich in ihrem Essay den Mordfällen Luigi Mangione und Daniel Penny und dem Gewaltverständnis des Justizsystems an. Im dritten Teil der Ausgabe, der sich Formen gewaltvollen und bewaffneten Widerstands widmet, schreiben Laura Bongardt zu Widerstand gegen die marokkanische Besatzung in der Westsahara, Sushobhan Parida berichtet von seiner Feldforschung mit (ehemaligen) Mitgliedern der Kosovo Liberation Army und Jannis Kohlt beschäftigt sich mit der Legitimierung von Gewalt in dissidenten Gruppen in Nordirland. Darüber hinaus nähern sich blumenleere und Alex M. Gastel in ihren Beiträgen im ersten und dritten Teil der Ausgabe literarisch den Fragen von gerechter Gewalt an.
Vielen Dank an Alex, Johannes, Pippa, Leonie, Sophie, Alice, Hannah, die uns bei dem Review Prozess unterstützt haben. Unser Dank geht auch an Didem Altmisdört, die diese Ausgabe gestalterisch zu einem echten Glanzstück gemacht hat. Nun wünschen wir Euch, liebe Leser:innen, eine gute Lektüre und freuen uns über eine kleine Spende, die all diese Arbeit möglich macht.
Liebe Grüße,
das Team von UNEINS