Die drei Burghunde

Es war einmal eine Burg, da lebten nur unglückliche Menschen. Leider bemerkten die Menschen gar nicht, wie unglücklich sie waren – dafür spürten es die Hunde um so mehr. Jeden Tag trafen sich Dackel, Pudel und Wolfshund hinter der Küche. Dort kauten sie Knochen und lästerten.

»Heute war es wieder schlimm«, sagte Dackel. »Der Prinz hatte schlechte Laune, weil Pferd nicht schnell genug war. Er hat Pferd und der Stallmeisterin mit dem Kerker gedroht. Aber erstmal hat er Wurstpudding auf die Närrin geworfen.«

Pudel schüttelte seine schwarzen Locken. »Das hab ich auch gesehen! Und dann ist die Närrin in die Schatzkammer geschlichen, um Geld für neue Kleider zu stehlen. Natürlich macht die Schatzmeisterin sich jetzt Sorgen um ihren Job. Ausgelassen hat sie es an den Kindern, denen sie Mathe beibringt.«

»Typisch«, bellte Wolfshund. »Der Küchenjunge saß auch in Mathe. Und hat nichts kapiert. Aus Frust hat er später das Stallkind verprügelt.«

Pudel legte eine Pfote über seine Augen. »Och ne jetzt. Das Stallkind trainiert Pferd seit Tagen nicht, weil ihm alles wehtut. Kein Wunder, dass Pferd langsam ist.«

»So streicheln die uns nie das Fell und die Herzen seidig«, sagte Dackel, »wenn sie alle schlecht drauf sind.«

Also beschlossen die Hunde, den Menschen zu helfen. Als erstes versuchte Dackel ihr Glück.

Am nächsten Tag berichtete sie: »Ich habe selbstlos den Wurstpudding von den Kleidern der Närrin geleckt, danach sahen sie aus wie neu. Aber sie hat trotzdem gestohlen, weil sie keine Bezahlung für ihre Arbeit bekommt. Dann war die Schatzmeisterin gemein zu den Kindern, der Küchenjunge hat geprügelt, das Stallkind hat wieder nicht Pferd trainiert und der Prinz hat Pfannkuchen geworfen.« Dackel rülpste. »Wie die wohl schmecken?«

Am nächsten Tag war Pudel an der Reihe. »Ich habe dem Küchenjungen mit seinen Matheaufgaben geholfen. Wusstet ihr, dass zwei und drei Knochen FÜNF Knochen ergeben? Hätte ich nicht gedacht. Aber der Küchenjunge war trotzdem traurig, weil ihm die fünf Knochen gar nichts nützen. Er muss in der Küche arbeiten, obwohl er Pferde viel besser findet als Suppen. Der Prinz teilt ja alle Berufe zu. Dann hat der Küchenjunge das Stallkind geschlagen und alles ging von vorne los.«

Wolfshund knurrte und an ihren Zähnen sahen die anderen, woher Wolfshund ihren Namen hatte. »Ich weiß, was das Problem ist. Wir dachten, dass wir einen Kreis aus schlechter Laune durchbrechen müssen. In einem Kreis sind alle gleich. Aber hier macht einer, was er will und niemand kann sich wehren. Und wer sich doch wehrt, riskiert das eigene Leben.«

So philosophisch hatte Wolfshund noch nie geredet. Sie war besser im Machen als im Reden, weswegen sie gleich loslief und den Prinzen auffraß.

Es war einmal eine Burg voller Menschen und ohne Prinzen und andere Königsleute. Nicht alle waren immer glücklich. Aber sie waren glücklicher als vorher und sie streichelten Dackel, Pudel und Wolfshund jeden Tag. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann streicheln sie noch heute.


Ursprünglich habe ich diesen Text für einen Wettbewerb verfasst, in der Märchen zum Thema Frieden durch Gewaltfreiheit gesucht waren. Dafür habe ich mir einen Kreis aus Gewalt erdacht, den ich die Hunde lösen lassen wollte – bin aber beim Schreiben zum selben Schluss wie Wolfshund gekommen: Das ist gar kein echter Kreis und hier ist nix mit friedlichen Lösungen. Ich denke in diesen Tagen viel an das Märchen und dass wir dringend mehr zivilen Ungehorsam brauchen, wenn wir in Deutschland einen erneuten Faschismus verhindern möchten. Im Wettbewerb war ich mit meinem Prinzensnack chancenlos, aber wenn Dackel, Pudel und Wolfshund ein paar Menschen zum Aktivismus motivieren, bin ich mehr als zufrieden.